New Work

Mehr als nur Home-Office

Technologische Entwicklungen haben nicht nur Auswirkungen auf Geschäftsmodelle bzw. auf die von Unternehmen angebotenen Produkte und Dienstleistungen, wie wir in unseren vergangenen Blogbeiträgen beleuchtete haben, sondern transformieren auch die Art und Weise wie der Arbeitsalltag der Menschen aussieht. Zunehmende Automatisierung, vorangetrieben durch den vermehrten Einsatz von cyber-physischen Systemen und zunehmender Algorithmisierung gepaart mit Buzzwords wie „Industrie 4.0“ und „Digitalisierung“ beeinflussen Arbeitsplätze und machen das manuelle Arbeiten in gewissen Bereichen schier überflüssig. Als Antwort auf Globalisierung, Digitalisierung und eine immer älter werdende Gesellschaft haben sich neue Konzepte unter dem Begriff New Work oder zu Deutsch Neue Arbeit entwickelt. Doch eine einheitliche Definition von New Work scheint nicht bzw. nur schwer auffindbar zu sein und viele Einrichtungen nutzen den Begriff ausschließlich als eine Art Modewort. New Work beschreibt im engeren Sinne den Wandel der Arbeitswelt, als auch dessen Folgen und kann als ein Arbeitskonzept und Organisationsprinzip mit konkreten Maßnahmen verstanden werden. „Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben, Flexibilisierung, Agilität, Wertebasierung und Sinnstiftung von Arbeit“  (Hofmann et al., 2019) kombiniert mit modernen Bürokonzepten wie Open Spaces.

Die 5 Prinzipien von New Work

Noch vor einigen Jahren führte eine Suchanfrage zu New Work bei Stepstone, eines der weltweit größten Jobportale, zu einer Fehlermeldung.  Heute lassen sich zahlreiche Stellen, angefangen beim Thema Change-Management in einer kleinen Beratung über New Work in einem Architekturbüro und New Work Transformation bei PWC, finden. Der Begriff New Work ist trotzdem kein gänzlich neues Phänomen. Bereits in den 1980er Jahren wurde das Konzept erstmalig von dem amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann entwickelt. Er beschäftige sich mit der philosophischen Frage, was einen Menschen frei macht und kam zu der Auffassung, dass Arbeit als Mittel zum Zweck den Menschen stark unterdrückt und dass wir Menschen glücklicher sind, wenn sie herausfinden, was sie „wirklich wirklich [sic]“ tun möchten. Er wollte eine Arbeitswelt schaffen, in der Selbstverwirklichung und Sinnhaftigkeit mit den drei Grundwerten Freiheit, Selbstständigkeit und Teilhabe an der Gesellschaft im Vordergrund stehen. Technologien sollen hierbei unterstützen und weniger erfüllende Tätigkeiten übernehmen. In seinem Buch „Neue Arbeit, neue Kultur“ aus dem Jahr 2004 fasste er seine Thesen für New Work zusammen. Seine Ansätze fanden dann auch Anklang in der deutschen Unternehmenskultur, allerdings erst einige Jahre später und aus einer von Bergmann abweichender Motivation. Um sich als Arbeitgeber attraktiver zu positionieren und dem aufkommenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken übernahmen Unternehmen die Philosophie zur persönlichen Selbstentfaltung und einer wertorientierten Arbeit, um Talente zu werben. Das Konzept wandelte sich von einem humanzentrierten Ansatz der persönlichen Entwicklung zu einem Organisations- und Kulturkonzept. Markus Väth entwickelte 2019 schließlich Bergmanns Ansatz weiter auf den folgenden 5 Prinzipien:

  1. Freiheit
  2. Selbstverantwortung
  3. Sinn
  4. Entwicklung
  5. Soziale Verantwortung

Abbildung 1: Fünf Prinzipien von New Work, humanfy GmbH

Die Ansätze decken sich auch mit verschiedenen Theorien aus der Psychologie. Das von Martin Seligman entwickelte PERMA-Modell bemisst Faktoren welche für ein allgemeines Wohlbefinden sorgen. Es steht als Akronym für Positive Emotions/Pleasure, Engagement, Relationships, Meaning und Accomplishment. Gerade die Punkte Stärken nutzen (Engagement), Sinn (Meaning) und Zielerreichung (Accomplishment) lassen sich mit den Ansätzen von New Work verknüpfen und es existieren Studien, die einen Zusammenhang der PERMA-Elemente mit Arbeitszufriedenheit, Commitment und physischer Gesundheit belegen (Kern et al., 2014), welche sich positiv auf Organisationen auswirken. Die PERMA-Elemente eignen sich also bei der Betrachtung und sollten im Hinblick auf eine Implementierung von New Work innerhalb einer Organisation berücksichtigt werden. Eine zu allgemeine New Work Strategie, welche zu sehr den Fokus auf die Strukturen von Organisationen legt, anstatt auf die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeitenden, kann unter Umständen nicht zu gewollten Ergebnissen führen. Die Einführung von Methoden wie zum Beispiel Scrum, Kanban oder teilautonomen Arbeitsgruppen kann von Mitarbeitenden unterschiedlich aufgenommen werden. Auf der einen Seite fühlt sich eine Person durch die neugewonnenen Freiheiten bestärkt, hingegen jemand anderes fehlt es an Struktur.

Das New Work Barometer

Schnell wird deutlich, dass es keine einheitliche Definition von New Work geben kann und auch keine One-fit-All Lösung existiert, die einfach implementiert werden kann. Um von der Idee New Work zu profitieren, bedarf es sich einer komplexen Auseinandersetzung mit dem Thema, um das volle Potential auszuschöpfen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erfasst gemeinsam mit der SRH Berlin University of Applied Sciences den zuletzt erfahrenen Schwung der Bewegung und die Entwicklung neuer Formen des Arbeitens durch die Corona-Pandemie. Dazu wurden Mitarbeitende und Führungskräfte aus KMU und Großkonzernen zum Verständnis und der Umsetzung rund um das Thema New Work befragt die Ergebnisse im New Work Barometer veröffentlicht.

Die aktuelle Ausgabe aus dem Jahr 2021 basiert auf 469 Datenpunkten mit Unternehmen aus den Branchen Beratung, Bildung, Industrie, IT und Finanzwesen. Bei dem Verständnis von New Work herrscht ein Konsens zwischen KMU und Großkonzernen. Die größte Zustimmung erhielt die Definition von New Work, die auf psychologisches Empowerment der Mitarbeiter gerichtet ist: „New Work sind verschiedene Maßnahmen, die die Zielsetzung haben, das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden zu steigern; das heißt das Erleben von Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz am Arbeitsplatz“.  Auf dem letzten Rang landet die eingangs erwähnte gesellschaftliche Kritik von Bergmann. Allerdings verbinden KMU New Work stärker mit Arbeitszeit- und Arbeitsautonomie, wie durch den vermehrten Einsatz von „Homeoffice-Maßnahmen“ als Großkonzerne.    
Bei dem Einsatz der verschiedenen Methoden zeichnet sich ein anderes Bild ab. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die verwendeten Maßnahmen und deren Anwendung sowohl in KMU als auch in Großbetrieben. Großkonzerne wenden etwas häufiger New Work-Maßnahmen an als KMU (7,54 Maßnahmen vs. 9,04 Maßnahmen).

Häufiger in KMU

Häufiger in Großbetrieben

Keine Unterschiede

  • Demokratische Organisationsverfassung
  • Mosaikkarrieren
  • Verflachung von Hierarchien
  • Agile Projektarbeit
  • Ausgabe von mobilen Technologien
  • Barcamps
  • Betriebliches Vorschlagswesen
  • Design Thinking
  • Digital Leadership
  • Hackathons
  • Job enrichment
  • Job sharing
  • OKR
  • Open Space-Büros
  • Transformationale Führung
  • Working Out Loud
  • Sinnfindungsworkshops
  • Achtsamkeitsworkshops
  • Agile Führung
  • Homeoffice
  • Arbeitszeitautonomie
  • Bureaucracy Buster
  • Crowdworking
  • Empowermentorientierte Führung
  • Gewählte Führungskräfte
  • Holokratie
  • Innovationsgaragen
  • Kanban
  • Labdays
  • New Pay
  • Qualitätszirkel
  • Shared Leadership
  • Soziokratie
  • Teilautonome Gruppen

 

Tabelle 1: Einsatz von New-Work-Maßnahmen in KMU und Großbetrieben

Es zeichnet sich ein Bild ab, welches sich bereits vermuten ließ: In Großkonzernen kommen New Work-Maßnahmen etwas häufiger zum Einsatz (7,54 Maßnahmen vs. 9,04 Maßnahmen), da sie eventuell eher die nötigen Ressourcen bereitstellen können. Besonders groß fällt der Unterschied bei der Umsetzung von agiler Projektarbeit und des betrieblichen Vorschlagswesens aus. Diese Maßnahmen finden aktuell noch deutlich weniger Anklang in KMU. Bei dem Abflachen von Hierarchien und eine Umsetzung zunehmender Demokratisierung der Organisationen scheinen allerdings die kleinen und mittelständigen Unternehmen deutlich mehr Bereitschaft zu zeigen. Knapp 40 % der befragten KMU gaben an, flache Hierarchien als eine Ausprägung von New Work umzusetzen. Bei den Großkonzernen waren es lediglich 27 %.

*Die Forschungsergebnisse des New Work Barometer 2022 werden voraussichtlich im September dieses Jahres veröffentlicht und an dieser Stelle ergänzt und diskutiert.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass keine einheitliche Definition von New Work per se existiert und das New Work eher als eine Art ganzheitliche Konzept gesehen werden sollte, anstatt eine bloße Einführung von verschiedenen New Work-Maßnahmen wie agile Projektarbeit in Kombination mit Open Space Büros. Studien zeigen beispielsweise inzwischen, dass durch den Einsatz von Home Office zwar die Produktivität der Mitarbeitenden gesteigert werden kann, Innovation jedoch auf der Strecke bleiben könnte. Um das volle Potential von New Work auszuschöpfen, bedarf es sich also mit einer komplexen Auseinandersetzung mit dem Thema, dessen Relevanz auch mit Forschungsergebnissen aus der Psychologie begründbar sind. Die zentralen Werte von New Work sind Freiheit, Selbstverantwortung, Sinnhaftigkeit, Entwicklung und Teilhabe an der Gesellschaft. Studien belegen eine positive Korrelation zwischen den Punkten „Stärken nutzen“, „Sinn“ und „Zielerreichung“ mit Arbeitszufriedenheit, Commitment und physischer Gesundheit. New Work und agiles Arbeiten gibt Mitarbeitenden mehr Freiheiten und Selbstverantwortung dadurch kann Kreativität für neue Ideen gefördert werden.KMU sowie Großunternehmen scheinen Teile der Konzepte schon umzusetzen, wohingegen Großkonzerne etwas häufiger New Work-Methoden einsetzen. Mitarbeitenden dürfen hier zwar häufiger Verbesserungsvorschläge machen und auch in der Projektarbeit wird eher auf agile Methoden gesetzt, allerdings bleiben Unternehmensstrukturen eher bestehen und eine Umverteilung von Ressourcen findet nicht statt. Bei den KMU setzt man auf der anderen Seite etwas radikaler auf eine zunehmende Demokratisierung und Selbstorganisation mithilfe von flachen Hierarchien. Mitarbeitende erleben mehr Autonomie und ein vermehrtes Macht- und Kompetenzerleben wird gefördert. Unsere Arbeitswelt flexibilisiert sich zunehmend und die virtuelle Zusammenarbeit nimmt dank immer leistungsstärkeren Anwendungen und Endgeräten zu. Viele Erfahren die neugewordene Flexibilität als sehr positiv, allerdings gilt es auch hier kritisch zu hinterfragen, welches Ausmaß mobiles Arbeiten annehmen sollte und wie flexibele Arbeitsformen wirtschaftlich verträglich  gestaltet werden sollten.

Quellen:

Hofmann J, Piele A, Piele C, Springel S (2019) New Work. Best Practices und Zukunftsmodelle. Fraunhofer IAO, Stuttgart

Kern, M., Waters, L., Adler, A., & White, M. (2014). Assessing employee wellbeing in schools using a multifaceted approach: Associations with physical health, life satisfaction, and professional thriving. Psychology, 5(06), 500-513.

https://www.forbes.com/sites/jasonwingard/2022/03/17/remote-work-productivity-up-innovation-down/?sh=3a49a21d1b7a

https://www.srh-berlin.de/fileadmin/Hochschule_Berlin/B.A_allgemein/Ergebnisbericht_NWB_2021.pdf